Der neue Jahresbericht fasst die Arbeit des Fonds zusammen und liefert einen inhaltlichen Überblick zu extremistischen religiös-politischen Bewegungen.
Die Ereignisse nach dem Hamas-Terror am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg, haben zuletzt europaweit die Wichtigkeit der Erforschung und Dokumentation der Strukturen sowie Ideologien des Politischen Islams aufgezeigt. Der israelisch-palästinensische Konflikt dient islamistischen Akteuren oftmals als Vehikel hin zu einer undifferenzierten Polarisierung und als Vorwand zur Propagierung extremistischer Botschaften. Die Dokumentationsstelle Politischer Islam hat seit ihrer Gründung vor drei Jahren – inklusive des aktuellen Jahresberichtes 2022 – 22 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Die Berichte stoßen genauso wie die Arbeit des Fonds auf Interesse über Österreich hinaus, da viele der untersuchten Bewegungen und Entwicklungen transnational verlaufen und vor Staatsgrenzen keinen Halt machen.
„Die Ereignisse der letzten Wochen mit Sympathie-Kundgebungen für die Hamas in Europa haben gezeigt, dass es eine konstante Auseinandersetzung mit islamistischen Akteuren braucht. Diese missbrauchen die Religion für ihre Ideologie, weshalb es hier kein Wegsehen geben darf, sondern eine kritische Auseinandersetzung braucht. Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus, Diskriminierung, Rassismus und anderen radikalen Ansichten bedeutet, den Phänomenen des religiös motivierten politischen Extremismus mit derselben Aufmerksamkeit zu begegnen, wie etwa dem Rechtsextremismus“, so Lisa Fellhofer, Direktorin des Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus.
Schwerpunkte der Forschungs- und Dokumentationstätigkeit lagen zuletzt vor allem bei türkeistämmigen Strukturen in Österreich sowie bei islamistischen Influencer-Gruppierungen im deutschsprachigen Raum. Insbesondere im letzten Türkei-Wahlkampf wurden über Verbände wie die Union Internationaler Demokraten (UID) vermehrt Aktivitäten und Beeinflussungen in Österreich festgestellt. Das Netzwerk agiert als verlängerter Arm von Erdogan und seiner AKP, wobei auch problematische Narrative zum Israel-Palästina-Konflikt mit teilweise antisemitischen Stereotypen verbreitet werden.
Im virtuellen Raum instrumentalisieren islamistische Gruppierungen – die zum Teil der Hizb ut-Tahrir nahestehen – Identitätskonflikte und tatsächliche Diskriminierungserfahrungen für die Verbreitung von antidemokratischen und minderheitenfeindlichen Botschaften in verschiedenen Medien. Auf Social-Media-Kanälen werden Jugendliche gezielt angesprochen und gesellschaftliche Gegenentwürfe propagiert, welche mit der liberal-pluralistische Demokratie nicht vereinbar sind. Politik und Medien wird pauschal eine Islamfeindlichkeit unterstellt, um die eigenen, islamistischen Ansichten und ein „Wir-gegen-Sie“-Narrativ weiter zu verbreiten.
Akteure und Verbände aus dem Spektrum des Politischen Islam versuchen verstärkt den gesellschaftlichen Diskurs zu ihren Gunsten zu bestimmen. Es gibt oftmals Bestrebungen, Debatten, die aus der Forschung und Wissenschaft angestoßen werden, von vornherein zu unterbinden und zu verzerren. Gegen derartige negative Entwicklungen stellt sich der Oberste Gerichtshof (OGH), der in einer Entscheidung festhält, dass öffentliche Debatten über den Islam und mit diesem assoziierte Organisationen und Akteure einem gesellschaftlichen Interesse unterliegen. In diesem Sinne hat auch der Fonds unsachlichen Vorwürfen stets Fakten gegenübergestellt. Die Dokumentationsstelle hat auch mit islamischen Verbänden einen kooperativen Dialog gesucht, um eine ergebnisoffene Forschung zu fördern, es gab bislang jedoch kein ernsthaftes Interesse an einer gemeinsamen Aufarbeitung.