05.05.2023

DPI-Berichte zu Erdogans AKP-Lobby und Erbakans Vermächtnis in Österreich

Parteien und Organisationen aus der Türkei haben innerhalb der türkeistämmigen Community in Europa Netzwerke zur Beeinflussung und Mobilisierung aufgebaut.

Für die am 14. Mai 2023 stattfindenden türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sind in Österreich über 100.000 Türkeistämmige wahlberechtigt, die noch bis zum 9. Mai 2023 im Ausland wählen dürfen. In der aktuellen DPI-Focus-Ausgabe informiert der Österreichische Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) in zwei Berichten über die Hintergründe, Zusammenhänge und transnationalen Aktivitäten islamisch-türkischer Vereinsstrukturen. Es wird dargelegt, wie der AKP-Ableger Union Internationaler Demokraten (UID) eine Brückenfunktion zwischen der Erdoğan-Regierung und der türkeistämmigen Diaspora übernimmt. Darüber hinaus wurden die europäischen Vorfeldorganisationen der Saadet Partisi (Partei der Glückseligkeit) – Saadet Europe sowie die Jugendorganisation Avrupa Gençlik Derneği (AGD) – untersucht, die bei der Wahl 2023 dem Oppositionsbündnis angehört.

„Die Millî-Görüş-Ideologie wird aus der Türkei über verschiedene Organisationen des Politischen Islam unter türkeistämmigen Communitys weltweit verbreitet. Necmettin Erbakan begründete damit ein islamisches Gegenmodell zu einem liberal-demokratischen Staatswesen. Die Ursprünge der in Österreich tätigen UID, Saadet Europe und AGD gehen auf diese Ideologie zurück, die eine gesellschaftliche Ordnung nach islamischen Regeln anstrebt“, so Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle Politischer Islam.

UID: Erdogans langer Arm in Österreich mobilisiert

Die unter dem Namen Union Internationaler Demokraten (bis 2018 Union Europäisch-Türkischer Demokraten, UETD) auftretende Vorfeldorganisation der AKP etablierte sich in Österreich bereits im Jahr 2006. Mit drei Standorten (Wien, Salzburg, Vorarlberg) ist die UID österreichweit tätig. Zu ihren Dialogpartnern zählt unter anderem die zu den Grauen Wölfen gehörende ATF (Türkische Föderation in Österreich). Neben ihrer Lobbyarbeit für die AKP organisiert die UID regelmäßig Veranstaltungen für AKP-Funktionäre, zu denen auch führende türkische Regierungsmitglieder gehören.

Das Mobilisierungspotenzial der UID zeigte sich zuletzt in ihren Aktivitäten rund um den aktuell laufenden türkischen Wahlkampf. Höhepunkt der Wahlevents war hierzulande ein Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu im April 2023 bei der UID Wien mit rund 1.000 türkeistämmigen Gästen, zu denen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan telefonisch zugeschaltet sprach. Erdogan-Kritiker werden von der Anhängerschaft der AKP-Lobbyorganisation immer wieder als „demokratiefeindlich“ oder gar „terroristisch“ denunziert.

Saadet Europe und AGD: Erbakans letztes Millî-Görüş-Projekt

Die Saadet Partei hat mit ihren Ablegern, Saadet Europe und der Jugendorganisation AGD, eigene Strukturen in Europa geschaffen, die ihren Politikern eine Bühne bietet. Die zentrale Bedeutung Österreichs wird mit der Wahl Wiens zum europäischen Hauptsitz der AGD deutlich. Hier ist auch die medial bereits bekannte MGV Publications tätig, die in der Vergangenheit Literatur mit antisemitischen, islamistischen und rechtsextremistischen Inhalten anbot. Der Gründungsvater der Millî-Görüş-Bewegung, Necmettin Erbakan, prägte mit seiner Ideologie jahrzehntelang die türkische Parteienlandschaft im Sinne einer islamistischen Politik, die nach Europa ausstrahlte und schuf mit der Saadet Partei ein politisches Vermächtnis. Sein letztes Millî-Görüş-Projekt steht nunmehr in Opposition zur regierenden AKP, die Erdoğan mit seinen Gefolgsleuten 2001 gründete, um sich von Erbakans Einfluss zu lösen.

DPI Focus: Im Dienste der AKP – Union Internationaler Demokraten (UID)

DPI Focus: Erbakans Vermächtnis – Saadet Europe und Avrupa Gençlik Derneği (AGD)

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