Die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) veranstaltete in der vergangenen Woche die diesjährige Conference on Extremism and Radicalisation Austria (CERA). Unter dem Titel „Religious Transformation of State and Society“ fand die Konferenz am 25. September in der Diplomatischen Akademie Wien statt. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis präsentierten ihre Forschungsergebnisse und debattierten diese anschließend im Plenum. Die Begrüßungsworte richtete Alexander Weissenburger, Leiter des DPI-Wissenschaftsteams, in Vertretung des Vorstands an das Publikum. Durch die Veranstaltung führte Moderatorin Kathrin Hanzl.
Den ersten inhaltlichen Input lieferte der Iran- und Nahost-Experte Walter Posch von der Landesverteidigungsakademie des Österreichischen Bundesheeres. In seiner Keynote skizzierte er die politische Verwendung von Religion als identitätsstiftenden Faktor. Aus politischer Perspektive erfüllt Religion eine doppelte Funktion: Einerseits könne sie bestehende Machtverhältnisse absichern, andererseits könne sie allerdings auch als Mittel zur Mobilisierung gegen diese genutzt werden.
Bei der diesjährigen CERA wurden in drei Panels die Themen „Society: Children, Gender & Religious Minorities“, „Concepts of Religious Political Leadership“ und „Transformation, Indoctrination & Confrontation: Changing Society from Within and from Outside“ behandelt. Unter anderem wurden der Politische Islam und Geschlechtergerechtigkeit, islamistische Bewegungen im Jemen, im Iran und in Afghanistan sowie christlicher Extremismus thematisiert. Zu den Vortragenden zählten neben dem DPI-Wissenschaftler Weissenburger auch Nazif Shahrani, Rebecca Schönenbach, Hessam Habibi Doroh, Michaela Quast-Neulinger, Lucian Reinfandt, Evelyn Bokler, Christoph Gümmer und Daniel Hikes-Wurm.
Im ersten Panel lag ein Schwerpunkt auf der bisher wenig erforschten Bedeutung von Frauenfeindlichkeit in islamistischen Gruppen, obwohl dieser Aspekt eine zentrale ideologische Rolle spielt und zur Radikalisierung beitrage. Islamistische Geschlechterbilder beruhen auf einer hierarchischen Zweiteilung: Frauen innerhalb der Gruppe würden entsexualisiert und idealisiert, Frauen außerhalb als „unrein“ abgewertet werden. Diese misogyne Konstruktion diene der Kontrolle des weiblichen Geschlechts und beeinflusse männliche Anhänger. Anhand von Beispielen wurden diese Dynamiken näher analysiert. Zudem behandelte das Panel die sunnitische Missionsbewegung Tablighi Jamaat und ihre transnationalen Netzwerke. In einem weiteren Vortrag kam außerdem das Wirken der Taliban in Afghanistan sowie externe Einflüsse und die daraus resultierenden Konsequenzen für dortige Minderheiten zur Sprache.
Im zweiten Panel wurden verschiedene religiös-extremistische Herrschaftsmodelle untersucht. Thematisiert wurde beispielsweise der Neo-Integralismus – eine rechtskatholische intellektuelle Strömung, die die säkular-liberale Demokratie ablehnt. Zudem wurde die schiitisch-islamistische Huthi-Bewegung im Jemen behandelt, die im Jahr 2015 an die Macht kam. Damit herrscht sie seit einem Jahrzehnt über rund 20 Millionen Menschen und gehört zu den erfolgreichsten islamistischen Bewegungen der Gegenwart. Schließlich wurde im Panel das Regierungsmodell der sunnitisch-islamistischen Taliban in Afghanistan beleuchtet.
Im dritten Panel diskutierten die Vortragenden Indoktrinationen und Konfrontationen im Rahmen gesellschaftlicher Veränderungen. Einerseits rechtfertigen einige islamistische Gruppen Gewalt mit religiösen Argumenten, andererseits zeigen andere Studien, dass viele gläubige Muslime in ihrem Glauben Trost, Kraft sowie Gewaltverzicht finden. Dabei wurde auf die Notwendigkeit einer differenzierten Sichtweise auf den islamischen Glauben hingewiesen. Des Weiteren wurde die Rolle der Islamischen Republik Iran und ihre Beziehungen zu rechtsextremen Akteuren analysiert. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass liberale Demokratien in der Europäischen Union zunehmend mit hybrider Kriegsführung verschiedener Strömungen konfrontiert sind. Diese nutzen neue Technologien als geopolitische Instrumente zur Einflussnahme.
Video: Statement Walter Posch zur CERA 2025